Geht es Ihnen gut? Ich hoffe es, denn dann können wir ein Thema aufgreifen, das ich schon zu Beginn angedeutet habe und das Ihnen sicher am Herzen liegt: unsere Vergesslichkeit. Ja, ich sage bewusst: unsere. Es ist nicht nur ein Phänomen des Älterwerdens, sondern es ist ein Phänomen des Gehirns, ein sehr gutes noch dazu. Oh je, sehen Sie? Jetzt habe ich tatsächlich vergessen, Sie zu begrüßen!
Liebe Seniorin, lieber Senior,
wenn jemand zu Ihnen sagt, er vergisst nie etwas, so ist er ein Fall für die Psychiatrie. Wir MÜSSEN vergessen, um gesund zu bleiben. Das ist ein eingebauter Hirnschutz-Mechanismus, der uns vor der Welt schützt. Unsere fünf Sinnesorgane, das Auge, das Ohr, die Nase, die Zunge und die Haut, nehmen permanent und alle zur gleichen Zeit wahre Ozeane von Kleinst-Informationen auf, die es zu bearbeiten gilt. Dazu gehören der Fleck auf dem Pulli, weitentferntes Hupen, Kochgerüche aus dem Nachbarhaus, Einzelelemente des Gewürzkuchens und das Gefühl, das die Kleidung am Körper hervorruft. Immerzu muss unser Gehirn entscheiden: Ist es wichtig für mich und mein Leben oder weg damit!
Vergessen ist lebenswichtig
90-95% von dem, was wir täglich sehen, hören, riechen, schmecken und fühlen, vergessen wir. Also fast die gesamte „Tages-Schau“. Erinnern Sie sich an Ihren ersten Möhrenbrei? An die Tapete im Wohnzimmer aus der Kindheit? An das Gefühl, wie sich Ihr erster Schultag anfühlte? Oder was Sie am 4.10. 2014 gemacht haben? Wenn nein, dann seien Sie froh. Ihr Gehirn denkt schließlich mit: Wir brauchen das nicht mehr. Allenfalls kommen einige bruchstückhafte Teilerinnerungen aus den Tiefen des Unterbewussten nach oben. Nur all das, was mit einer starken Emotion verbunden war, ist im Gehirn abrufbar gespeichert, im Langzeitgedächtnis. Wissen Sie noch, wo Sie waren, als Sie von Kennedys Ermordung, vom Mauerbau, von Lady Di`s Unfall erfuhren? Ich weiß es noch.
Vergessen ist eine wunderbare Möglichkeit der Vergangen-heitsbewältigung! Unangenehmes, Peinliches, Ärgerliches und Überflüssiges wird mit den Jahren schwächer und schwächer oder verschwindet ganz. Gutes, Schönes, Erfreuliches oder Witziges bleibt länger im Gehirn. Das ist seelische Gesundheits-fürsorge!
Gedächtnis im Alltag
Gut zu wissen, sagen Sie nun, aber was hilft mir das im Alltag, wenn ich Termine, Telefonnummern und Namen vergesse und ständig meine Sachen suchen muss? Im Folgenden gehe ich auf diese Fragen ein. Zunächst aber möchte ich vereinfacht die drei verschiedenen Gedächtnisarten erläutern:
–das Kurzzeitgedächtnis (K-Gedächtnis)
-das Arbeitsgedächtnis (A-Gedächtnis)
-das Langzeitgedächtnis (L-Gedächtnis)
Das K-Gedächtnis kann gehörte Worte oder Zahlen nur für ganz kurze Zeit behalten, nur einige Sekunden. Schnell wird in der Zentrale entschieden, ob die Inhalte weitergeschoben und im Arbeitsgedächtnis aufbereitet werden. Ein Beispiel: Sie werden einer Dame vorgestellt, die Heintzenberg heißt. Voraussichtlich werden Sie die Dame nicht wiedersehen, also ist der Name für Sie von geringer Bedeutung. So ist er dann auch nach ein paar Sekunden vermutlich im Nichts verschwunden. (Kurzzeitgedächtnis)
Wollen Sie jedoch in Beziehung treten mit der Dame oder ist sie die nette Tochter von Herrn M., von der Sie schon so viel gehört haben, so muss der Name ins Arbeitsgedächtnis weitergereicht werden. Dort können Sie selbst aktiv werden.Bewusst greifen Sie ein, indem Sie denken: Den Namen möchte ich mir merken. Das Gesicht dazu auch.
Welche Merk-Technik eignet sich dafür am besten?
Schauen Sie genau hin und malen sich ein Bild: Oben auf einem Berg sitzt diese Frau Heintzenberg, umringt von kleinen Heinzelmännchen mit roten Mützen. Sehen Sie sich auch die Heinzelmännchen an. Riechen Sie die frische Bergluft, in der Ferne hören Sie Kuhglocken. Sie wiederholen für sich: Frau Heintzenberg. Später schreiben Sie sich den Namen in Ihr „Leute-Buch“. Und wenn Sie dann die Dame treffen, können Sie sie garantiert mit ihrem Namen ansprechen. Und: Seien Sie nicht geschockt, wenn Sie aus Versehen „Frau Heinzelberg“ sagen – Ihr Gegenüber hört „Frau Heintzenberg“ und freut sich! So können Sie aktiv Ihr Arbeitsgedächtnis benutzen.
Und wenn Sie nun möchten, dass der Name ins Langzeitgedächtnis eintreten darf, in Ihre ganz persönliche Bibliothek – dann müssen Sie dranbleiben: wiederholen, wiederholen, wiederholen. Nicht umsonst sagt schon das Wort: Sie müssen den Namen immer mal wieder aus Ihrem Gedächtnis holen! Am besten in größer werdenden Zeitabständen. Denken Sie dabei auch an Gerüche, Geräusche. Je mehr Sinne beteiligt sind, desto besser haften die Namen. Später, bei der Suche nach dem Begriff, kann Ihr Gehirn dann nämlich auf verschiedenen Wegen zum Ziel gelangen. So erhöhen Sie Ihre Chancen.
Training: Namen behalten
Wir behalten Namen also nur, wenn wir sie bewusst und aufmerksam aufnehmen, wenn wir sie wiederholen und am besten, wenn wir sie zu Bildern machen.Das kann man sogar trainieren: Nehmen Sie sich, wenn Sie Lust dazu haben, ein Blatt Papier und einen Stift – wir machen Namen aus dem Telefonbuch (MS, WAF) zu Bildern. Das nennt man Visualisieren. Viel besser geht das natürlich, wenn Sie einen echten Menschen vor sich haben. Üben Sie so oft wie möglich – Visualisieren ist eine wichtige Gedächtnis-Übung. Bedenken Sie auch: Wenn Ihre Ideen Ihnen verrückt oder übertrieben vorkommen, dann sind sie besonders wirksam!
Frau Weinekötter
Herr Zumbusch
Frau Hermes
Herr Balkenhol
Frau Waldeslust
Herr Hahne
Frau Schnick
Herr Roßbach
Frau Mähner
Herr Wolke
Frau Biewagen
Herr Rosentreter
Tipp: Probieren Sie das Visualisieren doch mal mit Personen in Ihrem Umfeld, deren Namen Sie nur schwer behalten können.
Eine gute Woche für Sie!
Corinna Reinke, Autorin des Buches “Frühling im Kopf”
https://senioren-muenster.de/woher-kommt-die-frische-briese/
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