Lieber Senior, liebe Seniorin,
ich hoffe, Sie hatten ein schönes Weihnachtsfest! Dann gibt es bei Ihnen im Kopf die besten Bilder zum Memorieren. Und doch stürzen wir uns wieder in den profanen Alltag. Haben Sie gemerkt, dass sich ein kleiner inhaltlicher Fehler in den vorherigen Text eingeschlichen hat? Wenn Sie ihn entdeckt haben, dann haben Sie auch die Übungen gemacht – ich beglückwünsche Sie zu Ihrem Durchhaltevermögen. Und hier die Aufdeckung. Ich hatte am Schluss geschrieben: Welches Bild gehört zum Hamburger, zum Kuchen, zum Pflaster…?Es gab aber keinen Kuchen. Das war der Fehler. Aber viel wichtiger: Hatten Sie ein Erfolgserlebnis? Wenn ja, wunderbar. Wenn nein: Probieren Sie es in Ruhe später noch einmal.
Sie haben nun geübt und gemerkt, dass Bilder und Visualisieren uns beim Behalten eine starke Hilfe sein können. Heute möchte ich Ihnen ein wenig Theorie zum Gedächtnis anbieten, aber keine Angst – es gibt auch Mitmachaufgaben.
Jeder hat seinen eigenen Kopf!
Denken Sie bitte kurz an ein Erlebnis Ihrer Kindheit. Sicher haben Sie es schon einmal oder mehrmals jemandem erzählt. Vielleicht wird Sie das erschrecken, was ich jetzt sagen muss: Es ist erwiesenermaßen eine Tatsache, dass unser Gedächtnis unsere Erinnerungen verändert, glättet und so manches hinzu erfindet oder weglässt. Das ist bitter, sollte es doch die Erlebnisse und Erfahrungen eins zu eins und unverändert ablegen!
Unser Gedächtnis ist kein Fotoalbum
„Schuld“ daran ist unsere Lebenserfahrung. Max Frisch sagt in seinem Roman „Mein Name sei Gantenbein“ zu diesem Thema: „Jeder Mensch erfindet sich früher oder später eine Geschichte, die er für sein Leben hält.“ Sicher haben Sie das schon geahnt, denn Fotos und Erzählungen der Verwandten z.B. vermischen sich unkontrollierbar mit unseren eigenen inneren Bildern. Denken Sie auch an Zeugen vor Gericht: Aussagen sind nie objektiv, sondern Ausdruck persönlicher Erlebnisse und Erfahrungen, im wahrsten Sinne vom eigenen Standpunkt her beurteilt. Darum beschwören zwei Zeugen desselben Verkehrsunfalls häufig Unterschiedliches: blonde bzw. schwarze Haare des Fahrers, Mercedes bzw. VW, Brille bzw. Nicht-Brille. Standpunkte und Haltungen aber ändern sich im Laufe des Lebens. Schließlich wollen wir ja reifer und weiser werden.
Das Gehirn ist wählerisch
Unser Gehirn wird ständig von sehr großen Datenmengen ge- flutet, vieles davon ist sinnlos, anderes widersprüchlich. Es ist die Aufgabe des Hippocampus, des Herrn Professors in unserem mittleren Gehirn, aus der Fülle möglicher Deutungen die plausibelste auszuwählen. Ständig sucht unser Gehirn nach dem Sinn für etwas. Was allzu absurd erscheint, wird verworfen. Wir interpretieren also, frei nach unserer individuellen Lebenserfahrung und nach dem Motto von Christian Morgenstern: „Weil nicht sein kann, was nicht sein darf“. Da kann natürlich auch mal etwas verschwinden, sich ändern oder hinzukommen!
Kennen Sie diesen Text? Versuchen Sie ihn zu entziffern!
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Lösung: Aufgrund einer Studie an einer Englischen Universität ist es egal, in welcher Reihenfolge die Buchstaben in einem Wort stehen, das einzig wichtige dabei ist, dass der erste und letzte Buchstabe am richtigen Platz sind. Der Rest kann totaler Blödsinn sein, und du kannst es trotzdem ohne Probleme lesen. Das geht deshalb, weil wir nicht Buchstabe für Buchstabe einzeln lesen, sondern Wörter als Ganzes.
Werden Sie doch ein wenig kreativ: Erfinden Sie einen kleinen Text, verändern Sie ihn nach obigem Muster und testen Sie damit Ihren Lieblingsmenschen!
Eine schöne Woche wünsche ich Ihnen und rutschen Sie gut in das neue Jahr hinein! Bleiben Sie gesund.
Corinna Reinke, Autorin des Buches “Frühling im Kopf”
https://senioren-muenster.de/woher-kommt-die-frische-briese/
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