Ein persönliches Gespräch über die Arbeit als Altenpflegerin
Anne Elmenhorst ist in der Altenpflege beschäftigt. Sie pflegt Bewohnerinnen und Bewohner der Tibus Residenz. Und das seit vielen Jahren. Ich sprach mit ihr über die Herausforderungen und die Freuden, die ihr Beruf als Altenpflegerin mit sich bringt.
Anne, was fasziniert Sie an Ihrem Beruf als Altenpflegerin?
Es ist der besondere Kontakt zu Menschen, der mir durch diese Arbeit ermöglicht wird. Ich habe schon so viele, so tolle Gespräche während meiner Arbeit führen dürfen, die mein Leben bereichert haben. Und nach wie vor bereichern. Wissen Sie, während ich den Menschen z.B. beim Ankleiden helfe, oder ihre Haare richte, entsteht Nähe, die einen persönlichen Austausch fördert. Oft erfahre ich dabei Dinge von früher, die den Einzelnen bis ins hohe Alter wichtig sind und bewegen. Dabei ist es grundsätzlich wichtig, den Kontakt in kleinen Schritten aufzubauen; auf keinen Fall überrumpelnd. Das ist ein sehr sensibler Vorgang. Und man muss schauen, was der pflegebedürftige Mensch selbst noch machen kann. Das heißt, ich muss sehr behutsam die Kompetenzen, aber auch Bedürfnisse der Menschen, denen ich begegne, wahrnehmen. Dieser sensible Umgang ist es, der meinen Beruf so wertvoll macht. Es entsteht etwas Gutes und Menschennahes. Mich beeindruckt dabei die Nähe, die Zartheit und die Vielfalt. Die verschiedenen Menschen, die in der Tibus Residenz wohnen, sind so interessant. Sie spiegeln das Leben wieder. Ich habe so viele schöne Erlebnisse, so viele kleine Begegnungen, die mich erfreuen.
Haben Sie vielleicht das „sogenannte“ Helfersyndrom?
Ich helfe gerne Menschen. Das heißt die Hilfe, die ich in der Lage bin zu geben, die gebe ich gerne. Wenn ich das Gefühl habe, gebraucht zu werden, dann geht es mir gut. Ob das ein Helfersyndrom ist oder nicht, das weiß ich nicht. Es ist vor allen Dingen die Dankbarkeit der Leute, die mir viel Kraft gibt und die mich glücklich macht. Das, was ich gebe, bekomme ich um ein Vielfaches zurück. Ich weiß, das sind häufig Phrasen – aber ich empfinde wirklich so. Wenn mir zum Beispiel jemand die Hand drückt und sagt: „Anne, wie schön, dass Sie da sind!“, dann trägt mich das durch den Tag. Hinzu kommt, dass ich bei den älteren Damen durchaus daran denke, dass sie meine Mutter sein könnten. Meine Mutter, die ich gerne noch um mich hätte, die aber leider vor vielen Jahren verstorben ist. Diese Gedanken helfen mir, die Pflege mit Hingabe machen zu können. Wir sind ja immer mit unserer ganzen Persönlichkeit dabei.
Wie schaffen Sie es, bei all der Nähe, als Altenpflegerin eine professionelle Distanz zu halten?
Bei mir ist es ist die jahrelange Erfahrung, die es mir möglich macht, die verschiedenen Schicksale nicht immer mit nach Haus zu nehmen. Ich kann gut abschalten, obwohl ich in den einzelnen Wohnungen selbst uneingeschränkt mit voller Aufmerksamkeit und Mitgefühl präsent bin. Inzwischen schaffe ich es gut, von einer Wohnung nichts mit in die nächste zu nehmen. Das ist ja nur fair den Einzelnen gegenüber.
Es wird oft die wenige Zeit kritisiert, die Sie für die Pflege des Einzelnen zur Verfügung haben. Wie gehen Sie damit um?
Ich versuche mir die Zeit zu nehmen, die ich brauche. Ob Sie es glauben oder nicht – ich bekomme das irgendwie hin. Natürlich müssen wir schon ziemlich viel rennen. Ich beeile mich immer sehr, die Wege zwischen den Wohnungen schnell zurückzulegen. Aber bei den Menschen selbst, lege ich die Hektik ab. Das haben sie ganz einfach nicht verdient. Da ist es wichtig, positive Energie und gute Stimmung zu verbreiten. Ich frage mich immer: „Was kann ich genau jetzt in diesem Moment tun, um der Bewohnerin während meiner kurzen Anwesenheit einen schönen Moment der Begegnung zu bereiten?“ Wenn ich mit ganzem Herzen und voller Aufmerksamkeit dabei bin, dann gelingt mir das. Auch in knapp bemessener Zeit.
Wie gehen Sie mit belastenden Situationen um? Zum Beispiel mit extremen Körpergerüchen oder auch mit persönlichen Beschimpfungen?
Ich habe keinerlei Berührungsängste bei Gerüchen. Dagegen bin ich sozusagen immun. Ich habe keine Abwehr gegen Wunden, Ekzeme oder sonstige körperliche Veränderungen. Wenn man das hat, dann kann man, glaube ich, den Beruf nicht ausüben. Bei verbalen Entgleisungen hängt es davon ab, ob die Person gegebenenfalls dementiell verändert ist oder nicht. Ist sie klar im Kopf, dann reagiere ich häufig, indem ich sage ich: Wie gehen Sie mit mir um? So gehe ich doch mit Ihnen auch nicht um! Jeder von uns hat – auch in einer professionellen Beziehung – seine Rechte und Pflichten. Das muss doch auf Gegenseitigkeit beruhen.“ Das hilft meistens. Einmal aber bin ich aus einer Wohnung geworfen worden. Das hat mich sehr verletzt.
Wie sind Sie mit dieser Verletzung umgegangen?
Der Austausch mit Kollegen ist hier ganz wichtig. Die Dienstübergaben reichen dafür nicht aus. Ich bevorzuge dann das persönliche Gespräch mit einer Kollegin meiner Wahl. Herausforderungen gemeinsam besprechen und angehen – das schafft Nähe.
Anne, wenn ich Ihnen so zuhöre, dann verstehe ich kaum, warum so viele Pflegekräfte Probleme mit körperlichen Belastungen, mit der wenigen Zeit haben. Warum ist das bei Ihnen anders?
Ich sehe natürlich auch die vielen Belastungen, die der Beruf der Altenpflegerin mit sich bringt. Natürlich sind die körperlichen Belastungen groß. Aber, ich glaube, es liegt ganz viel an der Einstellung, die man zu diesem Beruf hat. Ich liebe ihn, er macht mir Freude und das bringt mir Energie. So entstehen liebenswerte Kontakte. Ich kann mit den Bewohnern – trotz der Schwere der Situation – auch zusammen lachen und fröhlich sein. Gemeinsam arbeiten wir auf große und kleine Ziele hin. Ich empfinde die Begegnungen als gegenseitiges Geben und Nehmen. Was gerade nötig ist. Dabei berücksichtige ich, dass Bewohner außer einem kranken Körper noch einen Geist und eine Seele besitzen. Auch diese pflege ich, indem ich bin, wer ich bin. Und, schließlich frage ich mich: “Wie möchte ich selbst versorgt werden, wenn ich alt bin? Genauso pflege ich die Menschen.”
Liebe Anne, vielen Dank für Ihre offenen Worte.
Mich persönlich hat dieses Gespräch nachdenklich gestimmt. Wenn ich überlege, wie ich mich fühle, wenn mir jemand uneingeschränkt seine Aufmerksamkeit schenkt, dann erkenne ich im Ansatz, was Anne Elmenhorst meinen könnte. Und, was sie leistet.
Ulrike Wünnemann
https://senioren-muenster.de/job/pflegefachkraft-mw-voll-und-teilzeit/
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