Die Skulpturprojekte – ein Blick zurück

Margit Schunck hat im  vergangenen Jahr für die Hauszeitung der Tibus Residenz (Rundschau) einen interessanten Blick auf die Skulpturprojekte Münster geworfen. Wir möchten Sie damit auf die Skulpturprojekte 2017, die in wenigen Wochen beginnen, einstimmen.

Skulpturen und Statuen – Zeit ist Balsam für Streit

Münster erlebt das immer wieder. Jedes neue Kunstobjekt teilt die Bevölkerung in zwei Gruppen: ein Teil ist begeistert, der andere entsetzt. Mal mehr oder weniger erhitzen sich die Gemüter dafür oder dagegen. Ein paar Jahre später spricht niemand mehr darüber. Die acht Meter hohe Skulptur, genannt die „Überfrau“ ist hierfür ein ganz typisches Beispiel. Als 1993 der Neubau der Stadtbibliothek eröffnet wurde, kam Nordrhein-Westfalen der Auflage von 1957 nach, staatliche Bauten mit einem künstlerischen Objekt zu schmücken. Man nannte diesen Versuch „Kunst am Bau“. Nachdem die Jury sich für die sogenannte „Überfrau“ des New Yorker Künstlers Tom Otterness entschieden hatte, wurde die Diskussion recht heftig. Heute gehört das Werk zu Münster und wird bei jeder Stadtführung vorgestellt.

Seit 1977 zieht Münster die Aufmerksamkeit der internationalen Kunstwelt alle 10 Jahre mit der Ausstellung „skulptur projekte münster“ auf sich. Weltbekannte Künstlerinnen und Künstler zeigen dann ihre eigens für Münster geschaffenen Arbeiten. Viele dieser Kunstwerke im „öffentlichen Raum“, die zuerst sehr umstritten waren, prägen heute noch das Stadtbild, zum Beispiel das „Wirbel“ genannte Werk von Henry Moore, wie auch die „Giant Pool Balls“ von Claes Oldenburg am Aasee.

Kulturkampf, Skandal, Provinzposse
Kommen nun aber zu den ästhetischen Meinungsverschiedenheiten noch politische Bedenken hinzu, wird der Streit härter. So wurden die Auseinandersetzungen um die Auswahl der Kunstwerke für die 2007 geplante Ausstellung von Gegnern und Befürwortern mit harten Bandagen geführt. Als CDU und FDP ausgerechnet die beiden politischen Skulpturen, den „Arkaden-Adler“ und die „Paul Wulf Statue“, von der Auswahlliste für einen möglichen Ankauf strichen, hagelte es Proteste.

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Nicht nur die nationale Presse, sondern auch die internationale sprachen von Kulturkampf, Skandal und Provinzposse. Letztendlich aber blieben die beiden Streitobjekte Münster erhalten. Dem Freundeskreis des Westfälischen Landesmuseums gelang es, nach „sachlicher, intensiver und niveauvoller Diskussion“, wie die Presse berichtete, den Adler für 25.000 Euro zu erstehen. Die Künstlerin Martha Rosler nennt es „Unsettling the fragments“ (Erschütterung der Fragmente“), die Münsteraner sagen einfach „Arkaden-Adler“.

Martha Rosler, die Künstlerin aus New York schuf den Adler nach dem Sandstein-Original, das noch heute am Lufttransportkommando in der Manfred von Richthofen-Straße zu sehen ist. Natürlich wurde das Hakenkreuz inzwischen entfernt. Zu den schweren Protesten meinte die Künstlerin, man dürfe durch Schweigen nicht Geschichtsklitterung betreiben. Auch schlimme Zeiten gehören zu einer Stadt, so wie zum Beispiel auch die Wiedertäufer, die durch die Käfige an der Lamberti-Kirche präsent bleiben. Den Sandsteinadler am ehemaligen Luftfahrtministerium „Hermann Göring“ habe sie gewählt, weil Münster seit dem 17./18. Jahrhundert bis heute Garnisonsstadt sei, und das denkmalgeschützte Gebäude auch heute noch militärisch genutzt wird. Militäranlagen gehören zu den unbequemen Denkmälern, müssen aber erhalten bleiben, weil sie Teil der Geschichte sind.

Heute hat der „Arkaden Adler“ seinen festen Standpunkt auf einer sehr hohen Stange rechts von dem Eingang Rotenburg in die Arkaden. Es ist fraglich, ob auch nur einer der vielen Besucher Notiz von ihm nimmt und erst recht, ob er sich an den wütenden Streit von 2007 erinnert.

 

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Das andere Streitobjekt ist ein Kunstwerk, das nach dem Münsteraner Paul Wulf gestaltet wurde. Durch die Initiative der Sparkasse und Spenden konnte auch dieses Denkmal der Stadt erhalten bleiben Die Frankfurter Künstlerin Silke Wagner hatte es für das Projekt 2007 unter dem Motto „Geschichte von unten“ ausgesucht. Es soll an die Leiden einfacher Mitbürger in der Nazi-Zeit erinnern. Bildhauer Herbert Rauer stattete eine 3,4 Meter hohe Litfaßsäule aus Beton mit dem markanten Kopf des von den Nazis verfolgten Paul Wulf aus. Dieser starb 1999. Bis zu seinem Tod hatte er als unbequemer Bürgerrechtler unermüdlich gegen die Schuldigen der Nazi-Herrschaft gekämpft. Dafür erhielt er 1991 das Bundesverdienstkreuz.
Die Litfaßsäule wird mit wechselnden Plakaten zu politischen Themen, die sein Leben bestimmt hatten, beklebt: Zwangssterilisation, Unterscheidung von „lebenswertem“ und „lebensunwertem“ Leben und andere furchtbare Verordnungen. Seine Leidensgeschichte erschütterte Menschen auch in den USA, die empört über diesen emotional ausufernden Streit in Deutschland waren. Die „Herald Tribune“ setzt seine Skulptur sogar auf die Titelseite einer Ausgabe. Silke Wagners Standbild, das auf dem Servatiiplatz steht, wird ihn vor dem Vergessen retten.

Und Zweitausendundsiebzehn?
Auch für 2017 wurde wieder Kasper König, Direktor des Ludwig-Museums in Köln, für die Organisation der Skulpturenausstellung verpflichtet. Es ist die fünfte Ausstellung seit 1977. Sie ist inzwischen als feste Größe international anerkannt und erfreut sich großer Beliebtheit. Für die erste suchte König zusammen mit dem früheren Direktor des WLM, Professor Klaus Bußmann, die Werke international bekannter Künstler aus. Eine Jury entschied dann, welches Kunstwerk im öffentlichen Raum ausgestellt werden sollte. Viele Menschen arbeiten nun bereits seit einiger Zeit an diesem großen Projekt.
Margit Schunck, Bewohnerin der Tibus Residenz

Inzwischen haben die Vorbereitungen für den Aufbau der einzelnen Werke begonnen. Es wird sicher spannend zu erleben, an welchen Werken sich in diesem Jahr die Meinungen teilen und die Gemüter erhitzen.

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