Leg einfach auf!

Das Wolfgang Borchert Theater führt erstmalig außerhalb der eigenen Räume einen Präventionskrimi über den sogenannten Enkeltrick-Betrug am Telefon auf.

Unser Veranstaltungssaal ist fast bis auf den letzten Platz gefüllt, als das Leben von Ruheständler Wolfgang Schneider durch einen unverhofften Anruf seiner Enkelin Johanna durcheinander gebracht wird. „Hallo Opa, ich bin´s, deine Enkelin.“ Die Betrügerin wartet, bis der Opa erstaunt ihren Namen nennt. „Johanna, bist du es?“ Ja, Opa ich bin´s, Johanna.“ Der Opa ist ein wenig irritiert, da sich ihre Stimme so fremd anhört. „Ach Opa“, sagt Johanna, „das liegt an der Verbindung und außerdem bin ich etwas erkältet.“ … Und so nimmt das Schicksal seinen Lauf.

Das Theaterstück ist spannend, kurzweilig und vor allem sehr informativ. Der gutgläubige Opa Schneider sitzt in seinem Sessel vorne auf der Bühne, die jeweiligen Telefonanrufer stehen hinter ihm, verdeckt durch eine Leinwand; sind nur als Schatten zu erkennen. Johannas Schatten ist jetzt häufig zu sehen; sie bittet schließlich ihren „Opa“ um eine horrende Bargeldsumme – es sei ein dringender Notfall und sie benötige 30.000,- Euro für eine Wohnung in München, in die sie mit ihrem neuen Freund – den der Opa natürlich (noch) nicht kennt – einziehen möchte. Er möge niemandem etwas davon sagen, da Johanna sich so schämt.

 

Wolfgang Schneider ist völlig überfordert, als sich dann noch Harald Möller, ein ominöser Kriminalbeamter vom LKA-Betrugsdezernat bei ihm meldet, um ihn vor dieser falschen Enkelin zu warnen. Sein letztes Telefonat wäre abgehört worden, da er möglicherweise ein nächstes Opfer sei. Sie hätten jetzt eine heiße Spur, wären kurz davor, die Täter dingfest zu machen und er solle als Lockvogel in diesem Betrugsfall eingespannt werden. Das will Wolfgang Schneider, ein Mann der Gerechtigkeit, natürlich tun. So nennt er dem leider auch „falschen“ Kriminalbeamten, der ihm ja große Sicherheit vermittelt, seine Adresse, hebt das geforderte Bargeld von der Bank ab. Die Verhaftung solle dann bei der Geldübergabe erfolgen; der Erfolg der Operation läge in seiner, Wolfgangs Schneiders, Hand.

Dieser wird verständlicherweise immer aufgeregter und „gehorcht“ aus Überforderung. Lars Müller spielt die Hauptrolle des Rentners in überzeugender Weise. Selbst die leicht vorsichtige Gangart stimmt. „Dabei helfen mir die Filzpantoffeln, die ich trage. Und außerdem habe ich mir die feinen, so typischen Körperbewegungen bei einem 86-jährigen Kollegen abgucken können“, erklärt der Schauspieler, der seit 43 Jahren deutschlandweit auf der Bühne steht und jetzt beim Borchert Theater fest unter Vertrag ist.

Und dann kommt ein Stopp! Jetzt wird die Geschichte bis zu einem gewissen Punkt zurückgespult – die Personen bewegen sich rückwärts im Schnelldurchlauf. Das ist lustig anzuschauen. Wieder ein Stopp. Und ab jetzt schützt sich Wolfgang Schneider vor diesem Betrug. Er fragt bei der Polizei nach einem angeblichen Kriminalbeamten Harald Möller, legt sofort auf, als sein vorgetäuschtes Enkelkind ihn am Telefon um Geld bittet, verständigt unter 110 (ohne Vorwahl) die Polizei, erstattet Anzeige, ruft sein „echtes“ Enkelkind an, um zu überprüfen, ob es sich bei ihm gemeldet hat, lässt sich die Ausweise der Polizeibeamten, die vor seiner Tür stehen, zeigen. Nur so hat die Polizei eine Chance, den Tätern das Handwerk legen.

Das Theaterstück „Leg einfach auf!“ zeigt auf unterhaltsame und zugleich eindrückliche Weise, wie schnell man in seiner Gutgläubigkeit in so einen Betrug verwickelt werden kann. So sieht das auch eine Bewohnerin: „Es ist schon erschreckend, wie schnell man letztendlich in so eine Falle tappen kann. Ab jetzt bin ich hellhöriger!“ „Genau das ist unser Ziel“, erklärt Tanja Weidner, Regisseurin dieses komödiantischen Kabinettstückes. „Wir wollten auf authentische, glaubwürdige Art und Weise so eine Situation nachspielen und haben deshalb mit Originalabschriften von Telefonaten dieses Theaterstück entwickelt. Es ist schon erstaunlich, welche psychologischen Tricks und Raffinessen die Täter anwenden. Unser Anliegen war es, ein Stück zu schaffen, dass nicht nur den moralischen Zeigefinger erhebt, sondern auch mit Humor und mit Theatermitteln verschiedene Emotionen dazu spürbar macht. Denn wenn man lacht, dann kann man mehr mitnehmen.“

Jetzt heißt es nur noch „Leg einfach auf!“ in Erinnerung zu behalten.
Ulrike Wünnemann

 

 

 

 

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